Mittwoch, 10. April 2019
Landesmuseum: Wer sind die Niedersachsen?
Nachfahren der »alten Sachsen«, die
vor über 1.000 Jahren gegen Karl den Großen kämpften? Ihr Name
stiftet bis heute Identität, aber wer waren sie? Das
Braunschweigische Landesmuseum und das Landesmuseum
Hannover spüren in der Landesausstellung 2019 unter der
Schirmherrschaft des Niedersächsischen Ministerpräsidenten Stefan
Weil dem Mythos nach und erzählen die Geschichte des Landes
zwischen Harz und Nordsee im 1. Jahrtausend neu.

Noch im 4. Jahrhundert war der Name »Saxones« eine Bezeichnung für
Piraten und Seeräuber. Erst seit dem 6. Jahrhundert nennen historische
Quellen aus dem Frankenreich auch damalige Bewohner des heutigen
Niedersachsen und Westfalen »Saxones«, also »Sachsen«. Das
Niedersachsenlied (1926) von Hermann Grote besagt, sie hätten ihr Land
bereits gegen den römischen Feldherrn Varus im Jahr 9n. Chr.
verteidigt. Fassbar wird ihre Identität allerdings erst, als sie infolge der
fast 30 Jahre andauernden kriegerischen Auseinandersetzungen mit Karl
dem Großen im 9. Jahrhundert Teil des Frankenreichs wurden und die
dortige Oberschicht eigene politische Ambitionen entwickelte. Nur
wenige Generationen nach Karl dem Großen bestieg mit Heinrich I. ein
sächsischer Adliger den fränkischen Thron. Ihm folgte sein Sohn Kaiser
Otto I., zu seiner Zeit der mächtigste Mann Europas. Im Kloster Corvey
schrieb der Mönch Widukind die Geschichte der Sachsen und begründete so den Mythos. Seine Erzählung fesselt bis
heute und hat lange Zeit Identität gestiftet.

Moderne wissenschaftliche Erkenntnisse bieten überraschend neue
Perspektiven: Archäologen und Historiker haben die Geschichte des 1.
bis 10. Jahrhunderts im heutigen Niedersachsen und in Westfalen
grundlegend revidiert. Dem beliebten Mythos, die alten Sachsen seien
die Vorfahren der heutigen Niedersachsen stellt die Ausstellung das
moderne historische Wissen über die wirkmächtige sächsische Identität des frühen Mittelalters gegenüber. Die bekannte Erzählung von der
Eroberung dieser Gebiete durch den germanischen Stamm der »alten
Sachsen« und die angeblich dort praktizierte frühe Demokratie wurden
kritisch hinterfragt. Der Mythos entpuppte sich dabei nicht nur als
romantisch verklärt, sondern auch als politisch gewollt – und wurde
bereits im frühen Mittelalter genutzt, um Herrschaftsansprüche zu
rechtfertigen.

Die Angehörigen der Oberschicht im Land zwischen Harz und Nordsee
waren mobil und sehr weit vernetzt. Sie wurden zu Impulsgebern im
gesamteuropäischen Geschehen. Gleichzeitig rangen fremde Könige um
die Vorherrschaft im Land, verschiedene Kulturen trafen aufeinander.
Das Ringen um Macht, Einfluss und Wohlstand in den Regionen wurde
dabei nicht mit den Mitteln der Diplomatie geführt: Gewalttätige
Auseinandersetzungen, politische Ehen oder erkaufte Loyalitäten waren
auch damals übliche Instrumente der Politik. Die Entscheidungen
mächtiger Familien stellten die Weichen für die Entwicklung des ganzen
Landes.

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